Marietta Tebbenjohanns wies in ihrer Dankesrede darauf hin, dass diese Auszeichnung nicht nur ihr gebührt, sondern allen bei FLUX engagierten Bürgerinnen und Bürgern.
Nachfolgend die zugehörige Pressemeldung der Stadt Hildesheim und die Dankesrede von Marietta Tebbenjohanns zum Nachlesen. Die Hildesheimer Zeitung berichtete ebenso am 27.09.2018 dazu.
Stadt Hildesheim / Rathaus 26. September 2018:
Kreuzbrakteat in Gold für Marietta Tebbenjohanns
Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer hat Marietta Tebbenjohanns am 25. September den Kreuzbrakteat in Gold für ihr herausragendes ehrenamtliches Engagement in der Flüchtlingshilfe verliehen.
„Um Krieg und Leid in den Krisengebieten der Erde zu entfliehen, suchten in den vergangenen Jahren hunderttausende Menschen in Deutschland Asyl. Dass Hildesheim diese Herausforderung, die mit der Aufnahme einer großen Zahl von Flüchtlingen verbunden ist, so gut meistern konnte, ist in hohem Grade auch Ihrem Engagement zu verdanken“, so der Oberbürgermeister im Rahmen der Feierstunde im Rathaus. Mit FLUX habe Tebbenjohanns eine der wichtigsten Einrichtungen der Flüchtlingshilfe in Hildesheim ins Leben gerufen. Mit großem persönlichem Einsatz sei es ihr sowie ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern gelungen, einen Ort zu schaffen, der vor allem Raum für Begegnung biete. „Für dieses großartige ehrenamtliche Engagement danke ich Ihnen sehr herzlich!“, sagte Dr. Meyer.
Marietta Tebbenjohanns leitet seit gut drei Jahren das Flüchtlings- und Integrationsprojekt FLUX. In kurzer Zeit ist es ihr gelungen, ein Team mit rund 200 Ehrenamtlichen aufzubauen. Mit Angeboten wie Patenschaften, der FLUX-Schule und der Arbeits- und Wohnungsvermittlung ist FLUX heute wichtiger Partner in der städtischen Integrationsarbeit. Weitere Informationen zur Arbeit von FLUX sind unter www.flux-hildesheim.de erhältlich.
Der Kreuzbrakteat, ein Hildesheimer Geldstück aus den Jahren 1171 bis 1190, trägt die Umschrift „Ego sum Hildensemensis – Ich bin ein Hildesheimer“ und wird als Nachbildung in Form eines Ansteckers an Personen verliehen, die sich um die Stadt verdient gemacht haben.
Dankesrede von Marietta Tebbenjohanns
Sehr verehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Meyer,
Liebe Mitstreiter bei FLUX,
Liebe Omama, Lieber Nonino,
Lieber Felix,
Liebe Jappa,
Lieber Jürgen,
Liebe Gäste,
herzlichen Dank dass Ihr,
um mit mir die große Ehrung des Kreuzbrakteaten entgegenzunehmen. Es freut mich sehr!
Lieber Herr Oberbürgermeister,
Orden, das liegt wohl an den Jahrgängen meiner Generation, haben für mich nicht nur einen verstaubten, sondern einen schalen Geschmack. Missbraucht durch das Nazi- und andere diktatorische Regime wurden sie nicht nur zum Thema vieler Karikaturen, sondern irgendwie auch überflüssig, dachte man. Die Ehre, die sie transportieren sollten, wurde so fraglich.
Mit dem Kreuzbrakteaten, und dafür möchte ich mich im Namen aller bedanken, wollen Sie die Arbeit von allen FLUXlern, die den Wunsch nach gelingender Integration der „Neubürger“ tief im Herzen verankert haben, ehren. Wir schöpfen dabei aus der Quelle der Dankbarkeit und der Nächstenliebe. Begleitet wurden wir in den vergangenen vier Jahren, davon bin ich überzeugt, von einem guten, wir Christen nennen ihn „heiligen“, Geist.
Der aus dieser „herzlichen“ Quelle entspringende Dienst, ist die Bedingung für den Erhalt einer freiheitlichen und gemeinwohlorientierten Gesellschaft.
Das aus dieser, noch sprudelnden Quelle weiter Entstehende, haben Sie mit dem Kreuzbrakteaten belohnt.
Herzlichen Dank an Sie, lieber Herr Oberbürgermeister, für die große Wertschätzung und an Euch, liebe FLUXler für Euren großartigen Dienst!
Eine Mitstreiterin von FLUX hat mir in den vergangenen Tagen diesen schönen Satz geschrieben, der so vieles beinhaltet.
„Der eine sieht nur Bäume, Probleme dicht an dicht. Der andere Zwischenräume und das Licht.“ (E. Matani)
Integration ist leichter gesagt als geschafft. Die Gefahr, „nur Bäume, Probleme dicht an dicht“, zu sehen, ist groß!
Trotzdem müssen wir uns an den Zwischenräumen, die das Licht durchlassen, orientieren.
Solche Zwischenräume sind
überall dort zu finden, wo der Mensch mehr zählt als die Bürokratie.
überall dort, wo gute Kooperation aller Beteiligten die Grundlage der Zusammenarbeit ist!
überall dort, wo Gemeinwohl vor Eigeninteresse geht: auch vor dem Eigeninteresse der beteiligten unterschiedlichen Institutionen!
Heute möchte ich zwei Wünsche, die mir beide gleichermaßen am Herzen liegen, benennen. Sie würden die Zwischenräume für das Licht aus meiner Sicht noch erweitern und damit unsere gemeinsame Anstrengung der Integration der Neubürger weiter beflügeln.
„Der eine sieht nur Bäume, Probleme dicht an dicht. Der andere Zwischenräume und das Licht.“ (E. Matani)
Wenn Deutschland diesen vergangenen Sonntag gewählt hätte, wäre die AfD die zweitstärkste politische Kraft geworden. Das erschreckt mich zutiefst und drängt mich, politisch zu werden.
Nie vorher gab es weniger Arbeitslose, nie vorher solche Wohlhabenheit wie zur Zeit in Deutschland.
Trotzdem gewinnt eine Partei, „die nur Bäume, Probleme dicht an dicht“ von den Rednerpulten schreit und „jeden Zwischenraum mit Blick auf Licht“ am liebsten zertrampeln würde.
Wenn wir diesen Spuk stoppen wollen, müssen wir es schaffen, aus dem herbei geschrienen Notstand „Flüchtlingskrise“ die „win-win“ Situation zu machen, die in den Zwischenräumen bereits steckt.
Mein erster Wunsch:
Wir in Hildesheim, müssen die Hildesheimer Ausbildungsinitiative so beleben, dass wir, gemeinsam mit den Schulen, den Bildungsinstituten, dem Jobcenter, der Arbeitsagentur, der Stadt und dem Landkreis und vor allem den Betrieben einen Pakt für Ausbildung schließen. Kurzfristig werden wir Geld in das Nachholen von Bildung stecken müssen.
Die Anstrengung und der Aufwand wird aber am Ende mit jungen Fachkräften belohnt werden.
„Der eine sieht nur Bäume, Probleme dicht an dicht. Der andere Zwischenräume und das Licht.“ (E. Matani)
FLUX ist von zwei Grundüberzeugungen geprägt.
Die erste:
es ist wunderbar, dass Du hilfst. Egal wie viele Stunden. Jede Stunde geleistete Hilfe ist ein Schritt in die richtige Richtung. So haben sich viele Helfer unserer Initiative angeschlossen und gemeinsam haben wir schon sehr viel geschafft.
Die zweite:
Neulich sagte eine Studentin auf die Frage, was ihr bei FLUX besonders gefalle: Schön ist, dass bei FLUX die persönlichen Erfolge Einzelner immer von allen mitgefeiert werden.
Diese Mitfreude öffnet den Blick für die Zwischenräume, die das Licht durchscheinen lassen. Auch für uns, um wieder neue Kraft zu tanken und die nächsten Zwischenräume sehen zu können. Bei den vielen Hilfesuchenden, ca. 80 Personen am Tag!, brauchen wir sehr viel Kraft.
Und hier kommt mein zweiter Wunsch:
FLUX braucht dringend eine hauptberufliche Stelle! – auch wenn wir alle ehrenamtlich tätig sind und das auch bleiben werden.
Hier müssen alle Beteiligten eine Schwelle überspringen, die sich überall im deutschen Sozialsystem – egal ob es kirchlich oder staatlich getragen ist, festgesetzt hat. Die Hauptberuflichen sind die Profis, die Ehrenamtlichen sind die Laien. Die Wahrheit ist, es gibt beides auf beiden Seiten. Weil FLUX nun „durch und durch“ ehrenamtlich ist, ist die Beantragung oder auch die Abordnung einer hauptberuflichen Stelle zu FLUX ungewohnt. Soll aber die „herzliche“ Quelle der FLUXler weiter sprudeln und so die erfolgreiche Integrationsarbeit fortgesetzt werden, braucht FLUX, angesichts der so vielen Hilfesuchenden am Tag, diese Stelle!
„Der eine sieht nur Bäume, Probleme dicht an dicht. Der andere Zwischenräume und das Licht.“ (E. Matani)
Unsere Bundekanzlerin wird für ihre Flüchtlingspolitik, die eigentlich eine zutiefst menschliche Reaktion auf das Schicksal 100tausender war, immer wieder gescholten, was allein der AfD Stimmen bringt. Wir sollten das Schimpfen lassen!
Ich bin überzeugt, wenn wir gemeinsam auf einem Integrationsweg bleiben, auf dem der Mensch mehr zählt als die Bürokratie, gute Kooperation aller Beteiligten die Grundlage der Zusammenarbeit ist und wo Gemeinwohl vor Eigeninteresse, auch dem der beteiligten Institutionen, rangiert, wird aus der allseits beschworenen Flüchtlingskrise eine win-win Situation entstehen.
Wenn dieser ehrenvolle Orden, den Sie mir heute verliehen haben, diese Folge hat, nehme ich ihn, auch wenn meine Generation mit Orden so wenig anfangen kann, gern entgegen. Er soll ein Zeichen sein, dass es auf die Zwischenräume ankommt.
Bleiben wir also – gemeinsam – dran!